Für viele deutsche ArbeitnehmerInnen gehören sie zum Arbeitsalltag einfach dazu: Überstunden. Und allein in Deutschland werden pro Jahr um die 800 Millionen Überstunden abgerechnet und ausbezahlt. Wer Überstunden leistet, soll dafür von seinem Arbeitgeber entlohnt werden. Doch die Praxis sieht anders aus. Neben den erwähnten 800 Millionen ausbezahlten Überstunden, arbeiten viele Menschen in Deutschland länger, ohne dafür bezahlt zu werden. Und diese Entwicklung wurde durch die COVID-19-Pandemie noch verschärft. Die eindeutige Trennung von Beruf und Privatleben gestaltet sich im Homeoffice schwieriger, es werden mehr Überstunden angehäuft. Doch wie sichert man sich deren Auszahlung? Welche Rechte und Pflichten haben ArbeitnehmerInnen?
Überstunden – die gesetzliche Grundlage
Als Überstunden wird die Arbeitszeit bezeichnet, die über die vertraglich geregelte Arbeitszeit hinausgeht. Wie viele Arbeitsstunden konkret abzuleisten sind, wird in einem Arbeitsvertag, im Tarifvertrag oder in entsprechenden Betriebsvereinbarungen geregelt. Demnach müssen ArbeitnehmerInnen auch nur die Stundenanzahl ableisten, die vertraglich vereinbart wurde. Der Arbeitgeber darf nur im Notfall oder bei einem besonderen betrieblichen Bedarf Überstunden anordnen. Ein besonderer betrieblicher Bedarf besteht beispielsweise, wenn ein wirtschaftlich wichtiger Kundenauftrag innerhalb einer gewissen Zeit abgearbeitet werden muss. Und auch hier gibt es mehrere Vorschriften, an die sich der Arbeitgeber halten muss.
Daneben wird durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) die maximal zulässige Regelarbeitszeit bestimmt. Für Angestellte liegt diese bei acht Stunden pro Werktag. Die Arbeitszeit pro Woche darf insgesamt 48 Stunden nicht überschreiten. Auch wurde festgelegt, dass mehr als 10 Stunden pro Tag keinesfalls gearbeitet werden darf. Von diesen Regelungen ausgenommen sind MitarbeiterInnen in einer leitenden Funktion. Für sie hat das Arbeitszeitgesetz keinerlei Gültigkeit. Doch trotz dieser eindeutigen Rechtslage, werden hierzulande unzählige Überstunden erbracht. Wie können ArbeitnehmerInnen eine Erstattung erlangen?
Wann Überstunden tatsächlich ausbezahlt werden
Ob mit einer Auszahlung zu rechnen ist, hängt von der jeweiligen Situation ab. Werden Überstunden aus Eigeninitiative geleistet, ohne dass der Arbeitgeber davon weiß oder es angeordnet hat, kann vom Arbeitgeber keine Erstattung verlangt werden. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitgeber die Überstunden ausdrücklich anordnet. Dann ist er auch verpflichtet diese Stunden zu vergüten, oder er bietet dem Arbeitnehmer an, dass die entsprechenden Stunden abgefeiert werden dürfen. Übrigens gibt es zahlreiche fragwürdige Klauseln in Arbeitsverträgen, wonach beispielsweise Überstunden mit dem vertraglich vereinbarten Gehalt bereits abgegolten sind oder erst nach einer gewissen Anzahl von Stunden abgerechnet werden. Solche Formulierungen sind fragwürdig, stellen meist eine Benachteiligung für ArbeitnehmerInnen dar und landen nur zu oft vor dem Arbeitsgericht. Damit einer Auszahlung von Überstunden nichts im Wege steht, müssen ArbeitnehmerInnen die gesetzlichen Vorgaben beachten und die damit einhergehenden Pflichten erfüllen.
Überstunden richtig dokumentieren
Um einen lästigen Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber zu vermeiden, sollten Überstunden unbedingt schriftlich dokumentiert werden. Außerdem lohnt es sich, die Tätigkeiten detailliert zu beschreiben. Sollte es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber kommen, sind ArbeitnehmerInnen verpflichtet, alle Überstunden lückenlos nachzuweisen. Die folgenden Punkte sollte man sich deshalb immer notieren:
- Anzahl der geleisteten Überstunden mit Datum/Uhrzeit
- Name des Vorgesetzten, der die Überstunden angeordnet hat
- welche Tätigkeiten verrichtet wurden
Außerdem sollte man die Aufzeichnungen gut verwahren. Liegt zusätzlicher Schriftverkehr vor (z.B. E-Mails mit der Anordnung zum Ableisten von Überstunden), sollte man diesen ebenfalls sicher aufbewahren. Am besten lässt man sich die dokumentierten Überstunden von einem Vorgesetzten unterschreiben. So können Missverständnisse vermieden werden und man kann einwandfrei nachweisen, dass Überstunden tatsächlich angeordnet wurden. Allein auf die elektronische Zeiterfassung im Betrieb sollte man sich jedoch nicht verlassen. Es werden hierbei zwar ebenfalls die Überstunden festgehalten, doch kann nicht bewiesen werden, ob sie auch vom Arbeitgeber beauftragt wurden.
Warum handschriftliche Aufzeichnungen besser sind
Im digitalen Zeitalter ist eine Tabelle mit den geleisteten Überstunden schnell erstellt. Doch die Justiz denkt anders. Handschriftliche Aufzeichnungen – im besten Fall durch einen Vorgesetzten unterschrieben – haben vor Gericht mehr Aussagekraft als eine abgetippte Tabelle. Deshalb sollten die Aufzeichnungen stets ausgedruckt dem Arbeitgeber vorgelegt werden. Das mobile Arbeiten im Homeoffice hat jedoch die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Informationen werden mehr und mehr digital ausgetauscht, viele ArbeitnehmerInnen sehen den eigenen Vorgesetzten meist in digitalen Meetings. Doch auch hier gilt bei der Erfassung und Dokumentation von Überstunden: Die schriftliche Form sollte immer bevorzugt werden. E-Mails, welche die Anweisung zum Ableisten von Überstunden enthalten, haben zwar grundsätzlich als Nachweis Gültigkeit, sollten aber auch hier regelmäßig ausgedruckt und vom Arbeitgeber abgezeichnet werden.
Kommunikation ist alles
Ob nun im Homeoffice oder vor Ort: Die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer lohnt sich immer. Beim Thema Überstunden sollte man nicht einfach in Eigeninitiative handeln, sondern konkret und möglichst im Vorfeld mit dem Arbeitgeber über Anzahl und Ausgleich von Überstunden sprechen. Dadurch lassen sich die meisten Auseinandersetzungen vermeiden und die partnerschaftliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird nicht beschädigt. Außerdem wird der Arbeitgeber nicht im Nachhinein überrascht sein, wenn es um die schriftliche Abzeichnung der geleisteten Überstunden geht.