Jobwunder Deutschland?

Seit einiger Zeit befindet sich Deutschland in fortgesetzter Feierlaune, zumindest hinsichtlich seines Arbeitsmarktes. Auch wenn die Mahner, die eine nicht ganz ehrliche Statistik vermuten, nicht verstummen, zeigen doch alle Indikatoren nach oben. Wirklich alle?

Rückgang der Beschäftigungsverhältnisse in Vollzeit
Seit ungefähr 2000 ist die Zahl der unbefristeten Anstellungen in Vollzeit, mit 30 Stunden oder mehr, rückläufig. Verglichen mit Zahlen anderer Nationen sogar stark. Nur die Nachbarstaaten Polen und Niederlande haben größere Zahlen der Statistiken in diesem Zeitraum gemeldet.

Zunahme geringfügiger Beschäftigung
Das deutsche Jobwunder zeigt sich vielmehr in der Zunahme von Teilzeittätigkeiten und Beschäftigungen mit einer zeitlichen Befristung. Hier ist deutlich zu bemerken, dass der Rückgang von Vollzeit zur Teilzeit vermehrt die Frauen betrifft, und wieder ist Deutschland in diesem Punkt an der Spitze in Europa zu finden.

Es bleibt festzuhalten, dass Frauen durchschnittlich 23% weniger verdienen und stärker von mangelnden Vollzeitstellen betroffen sind, als die Männer. Das klassische Rollenmodell christlich-konservativer Wertvorstellungen ist hierzulande immer noch stark verankert und sorgt langfristig für Brisanz in den sozialen Sicherungssystemen.

Geforderte Flexibilität der Wirtschaft
Die Vertreter der Wirtschaft begrüßen die veränderten Bedingungen des Arbeitsmarktes und betrachten die gestiegenen Anforderungen der Flexibilität an die Arbeitnehmer als erweiterte Möglichkeiten des Arbeitsmarktes. Die Unsicherheit für den Arbeitnehmer dient dem Unternehmer bei der Personalplanung und sorgt seit Jahren für sinkende Reallöhne in Deutschland, bei gleichzeitig sprudelnden Gewinnen und stark steigenden Vermögen von Anteilseignern.

Steuer- und Sozialabgaben
Im internationalen Vergleich führt auch hier Deutschland in der Statistik. Nicht bemessen an der Höhe der Steuersätze für hohe Einkommen oder Gewinne von Unternehmen, jedoch in der Höhe der Sozialabgaben und der Steuern auf kleine und mittlere Einkommen. Bei diesen Bevölkerungsschichten geht jedes Lohn-Plus im Normalfall zu über 50% direkt an den Staat und in die Sozialkassen. In Verbindung mit einer stetigen Inflation führt es zu sinkenden Reallöhnen und zu einer Verarmung breiter Schichten der Bevölkerung.

Perspektive
Der deutsche Arbeitsmarkt teilt sich erschreckend schnell in den Bereich der Beschäftigten im staatlichen Sektor und der Menschen mit Abitur und Studium sowie besonders gut qualifizierte Facharbeiter, welche eine lebensaufbauende Perspektive haben und den stark wachsenden Bereich des sogenannten Prekariates, die zwischen gering entlohnten, befristeten Teilzeittätigkeiten und Hartz4 verweilen. Dieser Sektor benötigt dauerhafte staatliche Transferleistungen bis zum Tod. Schätzungen zufolge liegt der Anteil dieser Gruppe inzwischen bei ca. 25% der deutschen Bevölkerung. Eine Lösung für die Kosten dieser Miesere ist bei der aktuellen politischen Konstellation nicht in Sicht.